Nathan Wolf mit Schwester Clem, Winter 1916

Nathan Wolf mit Schwester Clem, Winter 1916


 
Aufruf des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens

Aufruf des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens

Nathan Wolf im Ersten Weltkrieg

 

Mein Vater war ein glühender Patriot, das muss man schon sagen. Er hat sich im Ersten Weltkrieg freiwillig gemeldet und hat den ganzen Krieg mitgemacht. Er hat den ganzen Krieg über ein Tagebuch geführt.
Hannelore König

»Dieser Krieg ist für den 32-jährigen Nathan Wolf das Wichtigste und Größte, das er in seinem Leben erfahren konnte: in den vier Kriegsjahren lebte er im Gleichschritt mit der deutschen Geschichte, der er sich mit seiner ganzen Existenz unterwarf.« 
Aleida Assmann in ihrem Vorwort zum Kriegstagebuch Nathan Wolfs
 


 
Kriegstagebuch von Nathan Wolf

Kriegstagebuch von Nathan Wolf

1. Seite des Kriegstagebuchs

1. Seite des Kriegstagebuchs

Und wir werden siegen, weil wir die Mutigeren sind; aber dieser Mut darf nicht matter werden, darum sage ich jeden Tag meinen Leuten, dass ihr Leben nichts gelte, dass nur das Vaterland gelte. […] Ich will mich nicht rühmen, tapfer zu sein, aber ich war im Schrapnellfeuer der Einzige, der seine Ruhe bewahrte und damit ein Beispiel gab. Ich fühle es, dass meine Pflicht nicht getan ist, wenn ich die Leute verarztet habe, sondern dass ich unter den älteren Männern als Junger dazu berufen bin, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich werde nicht mutwillig und sinnlos mein Leben einsetzen, nur fürs Höchste soll es gelten. Ich will als ein ganzer Mann und wahrhaft Deutscher zurückkehren, mit reinem Gewissen.
Nathan Wolf, Kriegstagebuch, 22. Dezember 1914

 

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Nathan Wolfs Ordenssammlung

Nathan Wolfs Ordenssammlung

Nathan Wolf, Ordenssammlung

jeweils von links, obere Reihe: 

Eisernes Kreuz II. Klasse, Ritterkreuz Zähringer Löwenorden, Türkischer Halbmond, Verdienstmedaille Großherzog Friedrich II., Pro Deo Patria, Kriegserinnerungs-Medaille 1915–18, Teilnehmerkreuz 1914–18
mittlere Reihe:
Bundesverdienstkreuz I. Klasse, Eisernes Kreuz I. Klasse
darunter:
Silbernes Verwundetenabzeichen
Mitte rechts und unten: 
Ordensbänder der verschiedenen Orden
 

 

»Diese vollkommene Vereinigung von Individuum und Vaterland führte zu einer enormen Aufwertung der Person, die mit Uniform und militärischem Rang ausgestattet und bald auch mit Orden ausgezeichnet wurde. […]
Nathan Wolf musste jedoch bald erleben, dass nicht das ›Vaterland‹, sondern das ›Volk‹ als Heiligtum aus dem ersten Weltkrieg hervorging, aus dem er alsbald ausgeschlossen wurde. Auf die Episode der Integration der Juden im Krieg und durch den Krieg folgte die Tragödie der Ausgrenzung und Ausmerzung der Juden aus der deutschen Volksgemeinschaft. Vor diesem Hintergrund der unfasslichen Geschichte des nationalistischen Terrors und des Traumas der Vernichtung der europäischen Juden gewinnt Nathan Wolfs Vision einer neuen Gesellschaft ihr ganzes Gewicht: »Wir sind doch hier draußen alle Brüder und wollen es auch nach dem Krieg bleiben und jeder soll vom anderen glauben, dass er das Beste fürs Vaterland will.«

Aleida Assmann in ihrem Vorwort zum Kriegstagebuch Nathan Wolfs


 
Kriegstagebuch

Kriegstagebuch

 

Nathan Wolf als Besatzer in Belgien, 1915

Von der Vogesenfront wird Nathan Wolf im März 1915 nach Belgien abkommandiert. Die Deutschen sind eine fürchterliche Besatzungsmacht in dem kleinen Land, das sie schon zu Kriegsbeginn überfallen haben. Nathan Wolf teilt den überheblichen Blick der Besatzer, aber sobald es persönlich wird, gewinnt seine Menschlichkeit rasch die Oberhand. Zivilisten behandelt der Arzt wie überall gerne und unentgeltlich. 


10. Oktober: Huy, Sonntag; eben war eine Frau mit ihrem skrophulösen Kind da, eine Frau aus Thiange habe sie geschickt, deren Kind ich auch geholfen habe. Also sie bekommt Salbe und Binde für das Kopfekzem und Augentropfen und das Kind eine Handvoll Nüsse. Sie ist glückselig und weiß nicht, wie sie dem deutschen Barbaren danken soll.
Aus dem Kriegstagebuch von Nathan Wolf


An der Ostfront 1917: Nathan Wolf impft Kinder in einem russischen Dorf

An der Ostfront 1917: Nathan Wolf impft Kinder in einem russischen Dorf

 

Die hygienischen Verhältnisse waren schlimm, und wo mein Vater auch war: er hat sich immer auch um die Nichtkom­battanten gekümmert. Wenn er in ein Beduinenzelt kam und die Kinder sah und seinen Medikamentenkoffer dabei hatte, dann hat er die gleich mitversorgt.
Hannelore König

Nathan Wolf in Samaria, 30. 12. 1917

Nathan Wolf in Samaria, 30. 12. 1917

Nathan Wolf im Orient

Nathan Wolf im Orient

 

Schließlich gelang es ihm dank seiner Beziehungen, zum berühmten Garde-Pionier-Regiment 701 zu kommen, das für den Feldzug nach Bagdad ausersehen war. Die Zeit beim Palästinakorps hat ihn sehr geprägt. Er war in Konstan­tinopel, in Aleppo, in Damaskus und am Toten Meer. Uns Kindern hat er erzählt, dass man dort im Wasser auf dem Rücken liegend die Zeitung lesen konnte. Wir wollten das nicht glauben. Diese Zeit im Orient blieb für ihn das Abenteuer sei­nes Lebens. Es war zwar ein Krieg, aber auch eine Entdeckungsreise.
Hannelore König


Nur zwei Feldpostbriefe Nathan Wolfs haben sich erhalten. 

Am 9. September 1914 berichtet er der Familie, dass er seinen Cousin Oskar, einen Zivilisten, mit an die Front genommen habe, ein für letzteren durchaus gefährliches Unterfangen. Anders als in der eher beschönigenden Darstellung im Kriegstagebuch wird im Brief auch von Plünderungen berichtet – In Baccarat habe ich wundervolles Kristall bekommen für nix, … – ganz aus der Haltung des sich zivilisatorisch überlegen fühlenden, siegesgewissen Deutschen heraus. 

Zu diesem frühen Zeitpunkt nimmt Nathan Wolf den Schrecken des Krieges noch ungerührt zur Kenntnis:

Und was hat er nicht alles gesehen, verbrannte Dörfer, zum Beispiel Domèvre ist vollständig verwüstet, kein Fenster mehr, kein Ziegel, nur Ruinen, unweit davon der Leichengeruch aus den Wäldern heraus und außerdem waren wir nur 4 km von der Schützenlinie, so dass er den Kanonendonner aus allernächster Nähe hatte.